Hacker-Porträt
- GLAM
Thomas Weibel
Zeitungs- und Radiojournalist, Buchautor, Blogger, Lehrer, Berater, Webdesigner und Programmierer. Er war Mitglied der Programmleitung von Schweizer Radio DRS 2. Heute ist er selbständiger Multimediaproduzent und lehrt multimediales Erzählen und konvergente Medienproduktion an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur und an der Berner Fachhochschule.
Thomas Weibel sitzt in Bahnhofsnähe in einem Café, umgeben von Smartphones, Laptops, Kaffees und vielen multitaskingfähigen Menschen. Hier macht er Halt, wenn er zwischen zwei Terminen Zeit hat – es gibt offenes WLAN. Weibel hat erreicht, dass er inzwischen von Berufes wegen seiner Neugier ungehemmt nachgehen kann. Als digitaler Nomade wechselt er nicht nur flink zwischen verschiedenen Berufen (und Berufungen), sondern scheint sich auch unterwegs ganz zuhause zu fühlen.
Er spielt Tarot Freecell, ein Solitär-Spiel, das er mit einem Set historischer Tarot Karten von 1880 am letzten Hackathon entworfen, programmiert und umgesetzt hat. „Meine Absicht war es, historische Spielkarten wiederzubeleben: Als Ausstellungsobjekte in Vitrinen haben sie ihren eigentlichen Zweck verloren. Man darf sie nur noch ansehen, aber nicht berühren, geschweige denn mit ihnen spielen.“ Auch wenn das Spiel heute durchschnittlich von 100 Spielern pro Tag gespielt wird, ist Weibel mit dem Erfolg seines Hackathon-Projekts nur halb zufrieden: „Zwar hat mein Game zu Beginn durchaus Interesse geweckt – bei anderen Programmierern, bei einzelnen Museumsverantwortlichen. Danach sind aber konkrete Projekte – zum Beispiel Touchscreens ins Ausstellungen oder die Ergänzung bestehender Websites – im Sand verlaufen.“
Schade, denn der Besuch der Seite lohnt sich, selbst wenn die Karten (oder „Ikonen vergangener Realitäten“, wie Weibel sie nennt) nicht nach Wert und Farbe sortiert werden möchten. Tarot Freecell kann man übrigens auch ganz bequem auf dem Smartphone spielen. Hier geht’s lang.
Weibels eigener Spieltrieb, Freude und Interesse an Daten, Geschichte, Kultur und der Wunsch, neue Zugänge zu schaffen, sind so gross, dass wir ihn auch dieses Jahr wieder am Hackathon begrüssen dürfen. Zum Glück! Denn auch wenn Tarot Freecell in keiner Kulturinstitution weiter genutzt wurde, hat der erste Cultural Data Hackathon in Bern nachhaltigen Eindruck gemacht: „Auch heute noch, bald eineinhalb Jahre nach dem ersten Kultur-Hackathon, führe ich mir die realisierten Applikationen zu Gemüte und bin immer noch tief beeindruckt, was Kolleginnen und Kollegen in diesen zwei Tagen alles in die Tat umgesetzt haben. Diese einzigartige Verbindung von Daten und Kreativität, wie sie der Kultur-Hackathon bietet, hat enormes Potenzial. Daher freue ich mich unbändig auf die zweite Ausgabe in Basel.“
Viele am Hackathon gesammelten Ideen nimmt er in Vorlesungen und Referate mit, in Gespräche mit Kollegen und Studierenden oder er erzählt Freunden und seiner Familie davon. Weibel wünscht sich deshalb vom diesjährigen Hackathon vor allem „food for thought“ und natürlich „Projekte, die den Anlass überdauern und ein breites Publikum finden.“
Als „Nerd und Programmierer“ bringt Weibel viele Eigenschaften mit, die am Hackathon für jedes Team eine Bereicherung sind. Er ist ein „neugieriger Kerl“ und nur schon deshalb offen, bei spannenden Ideen mitzuwirken. Aber natürlich reist er im Juli auch mit einer eigenen Projektidee im Gepäck nach Basel: „Der Gedanke, dass Spiele Generationen, wenn nicht gar Jahrhunderte zu überbrücken vermögen, treibt mich immer noch um. Backgammon ist auch so ein Spiel – einer seiner Vorläufer wurde in der Grabkammer des Tutenchamun gefunden. In der um 1300 entstandenen Manesse-Liederhandschrift findet sich eine Bildtafel, die zwei Spieler vor einem Backgammon-Brett zeigt, das genauso aussieht wie unsere heutigen. Diese Illustration möchte ich interaktiv machen, also mit einem spielbaren Backgammon versehen, so dass man virtuell gegen einen Gegner aus dem Mittelalter spielen kann.“
An alle interessierten Grafikdesigner, gewitzen Photoshoppers oder spielfreudigen Alleskönner: Lust, bei diesem Projekt mitzuwirken? „It’s a Match“ – versprochen!