Keine Digitalisierung ohne Zivilgesellschaft (Offener Brief)
- Advocacy
- Prototype Fund
Per E-Mail an: Mitglieder der Finanzkommission des Ständerats und Bundesrätin Karin Keller-Sutter
Bern, 16.11.2024
Keine Digitalisierung ohne Zivilgesellschaft – Digitale Leuchtturmprojekte für das Gemeinwohl
Sehr geehrte Frau Ständerätin und Herr Ständerat,
sehr geehrte Frau Bundesrätin Keller-Sutter
Die digitale Zivilgesellschaft ist eine wichtige Treiberin von Innovation im öffentlichen Interesse. Die Schweiz hat eine lebendige Szene von Entwickler:innen für digitale Projekte, die mehr demokratische Teilhabe für die Gesellschaft als Ganzes und wichtige gesellschaftliche Gruppen ermöglichen, wie zum Beispiel Jugendliche, Personen mit Behinderungen oder Migrant:innen. Dank privater Unterstützung sind in den letzten Jahren wichtige digitale Projekte entstanden*, die es
- Menschen mit motorischen Behinderungen ermöglichen, individuelle Reisen und Ausflüge zu planen und so stärker am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben,
- der Bevölkerung erleichtern, an Vernehmlassungen und damit am Gesetzgebungsprozess teilzunehmen, oder
- Schüler:innen ermöglichen, sich mit kultureller Vielfalt auseinanderzusetzen und den sozialen Zusammenhalt zu fördern.
Dieser wichtige Beitrag zur digitalen Innovation und dem gesellschaftlichen Zusammenhalt hatte lange Zeit keine öffentliche Anerkennung. Dank dem Bundesgesetz über den Einsatz elektronischer Mittel zur Erfüllung von Behördenaufgaben (EMBAG) wurde eine erste gesetzliche Grundlage für diese wichtige Arbeit geschaffen: Mit einer Anschubfinanzierung von insgesamt 2 Millionen Franken pro Jahr sollten auch Digitalisierungsprojekte der Zivilgesellschaft unterstützt werden können.
Der Bundesrat plant nun jedoch im Rahmen der kommenden Sparübung, die auf die „Expertengruppe Aufgaben- und Subventionsüberprüfung“ zurückgeht, vollständig auf die sogenannten Leuchtturmprojekte zu verzichten und sogar Artikel 17 EMBAG aufzuheben. Die Begründung bleibt dabei unzureichend, da nur Unternehmen („Effizienzüberlegungen“) und die Verwaltung (Digitale Verwaltung Schweiz) genannt werden. Der Verlust für die Zivilgesellschaft bleibt unerwähnt – ein typisches Zeichen dafür, dass ihr Beitrag oft übersehen wird. Dabei trägt die Zivilgesellschaft wesentlich zu einer gemeinwohlorientierten und nutzendenzentrierten aber auch effektiven Digitalisierung bei, die Interoperabilität, Nachhaltigkeit, Transparenz und Offenheit stärkt.
Neben Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Finanzierung durch Stiftungen sind öffentliche Förderungen eine tragende Säule für zahlreiche gemeinnützige Organisationen – für uns. Obwohl die Einsparungen (2 Millionen pro Jahr) im Verhältnis zu den gesamten Sparmassnahmen winzig sind, sind sie für unsere Organisationen wichtig, um damit eine grosse Wirkung zu erzielen.
Aus diesen und weiteren Gründen* bitten wir Sie, auf Einsparungen bei den Leuchtturmprojekten zu verzichten und Artikel 17 EMBAG als Kann-Bestimmung im Gesetz zu belassen, um dem Bundesrat und der Schweiz künftige Handlungsoptionen für eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung zu sichern.
Für Fragen stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.
Freundliche Grüsse
Florin Hasler, Opendata.ch
Olga Baranova, CH++
Angela Müller, AlgorithmWatch CH
Erik Schönenberger, Digitale Gesellschaft
Jenny Ebermann, Wikimedia CH
* Seit 2020 hat der Prototype Fund in drei Runden 16 gemeinnützige Open-Source-Projekte mit insgesamt CHF 1.5 Millionen gefördert. Eine vierte Runde ist für 2025 geplant.
** Weitere Argumente:
- Ohne Investitionen droht die Schweiz in Zeiten rasanter technologischer Entwicklungen als Innovationsstandort abgehängt zu werden.
- Der Bund kann Kosten sparen, indem er einmalige Projekte von Externen unterstützt, statt sie selbst durchzuführen – etwa bei der Harmonisierung von Parlamentsdaten, der Bereitstellung von Open-Source-Trainingsdaten für KI-Modelle oder bei digitalen Bewilligungsverfahren für Gemeinden. Art. 17 EMBAG gewährleistet dabei, dass Ergebnisse, Daten und Code frei zugänglich sind und so nachhaltiger Mehrwert entsteht.
- Die Aufhebung der Kann-Bestimmung führt dazu, dass man wertvollen Spielraum für die Zukunft einbüsst. Art. 17 EMBAG bildet die Grundlage für eine Förderung im Digitalisierungsbereich. Ein neuer Versuch eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, würde Jahre in Anspruch nehmen.
- Die Bundeskanzlei spricht sich für die Anschubfinanzierung aus.